In einem schockierenden Widerspruch bringt die irakische Regierung weiterhin Islamische Staat angehörige ISIS-Kämpfern aus dem syrischen Al-Hol-Camp zurück, mit Reintegrations- und Unterstützungsprogrammen. Gleichzeitig werden die Ezid*innen die Opfer eben dieser Islamische Staat angehörige im elften Jahr nach dem Genozid weiterhin in Flüchtlingslagern zurückgelassen, ohne Wiederaufbau oder Schutz vor einer Wiederholung der Völkermord.
Am 3. August 2014 verübte der sogenannte Islamische Staat (ISIS) einen grausamen Völkermord an den Ezid*innen in der Region Sindschar (Shingal), bei dem zehntausende Menschen getötet, entführt oder vertrieben wurden.
Heute, elf Jahre später, leiden die Ezid*innen noch immer unter den Folgen dieser Katastrophe, nicht nur durch den Verlust von Angehörigen und die Zerstörung ihrer Dörfer, sondern auch durch systematische Vernachlässigung seitens der Regierungen und das Fehlen eines konkreten Plans für Rückkehr, Wiederaufbau und Schutz.

Erschütternde Zahlen
• Über 2600 Jesid*innen gelten weiterhin als vermisst, die meisten davon Frauen und Kinder.
• 93 Massengräber wurden bislang entdeckt, von denen 25 noch immer nicht geöffnet wurden . Familien wird somit das Recht auf eine würdevolle Bestattung ihrer Angehörigen verwehrt.
• Hunderte Überreste ezidischer Opfer lagern seit Jahren in Bagdad, ihre Familien warten bis heute auf DNA-Tests.
• Mehr als 250.000 ezidische Binnenvertriebene leben weiterhin in Camps in der Region Kurdistan und anderen Teilen des Irak, in der Hoffnung auf Rückkehr in ihre Heimatorte.
• Hunderte ezidische Frauen und Kinder befinden sich weiterhin in der Gewalt vonIslamische Staat angehörige, sei es im Al-Hol-Camp in Syrien oder an unbekannten Orten.

Islamische Staat angehörige kehren zurück ezid*innen bleiben in Lagern
Trotz elf Jahren seit dem Genozid hat die irakische Regierung in den letzten Jahren Programme zur Rehabilitation und Rückführung von Islamische Staat angehörige aufgelegt. inklusive sozialer Unterstützung und Integrationshilfen.
Im Gegensatz dazu leben die ezid*innen. die Opfer von Islamische Staat weiterhin in Flüchtlingslagern, ohne sichere Unterkünfte, ohne klare staatliche Rückkehrstrategie und ohne jegliche Sicherheitsgarantie.

Millioneninvestitionen angekündigt, die Umsetzung bleibt aus
Mehrere irakische und internationale Stellen haben in den letzten Jahren Millionenbeträge für den Wiederaufbau von Shingal angekündigt:
• Die irakische Regierung hat über 50 Milliarden irakische Dinar (ca. 34 Millionen USD) für den Wiederaufbau zugesagt. die Umsetzung vor Ort ist jedoch äußerst begrenzt.
• Deutschland stellte 15 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Wohnhäusern bereit und zusätzlich 50 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte über UNOPS –benannt für Anbar und Sindschar, aber die meisten Projekte wurden in Anbar umgesetzt. Shingal wartet weiterhin auf konkrete Unterstützung.
• Das Sununi-Krankenhaus, die Universität von Shingal, sowie das Modell-Dorf Kocho wurden öffentlich angekündigt, jedoch nie umgesetzt. Der Wiederaufbau Shingales existiert bislang nur auf dem Papier. die Mittel fließen überwiegend in die Ninive-Ebene.

Fehlender Schutz – Gefahr eines erneuten Völkermords
Bis heute gibt es keinen umfassenden staatlichen oder internationalen Plan zum Schutz der Ezid*innen in ihren Heimatregionen , trotz anhaltender Sicherheitsrisiken und politischer Konflikte.
Die Abwesenheit effektiver Sicherheitsstrukturen, das Nebeneinander bewaffneter Gruppen und der ungelöste Streit zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung über die Verwaltung von Shingal machen eine Rückkehr für ezid*innen gefährlich und lassen das Risiko einer erneuten Tragödie bestehen.

Forderungen der Shingal-Verein
Zum Gedenken an diesen schmerzhaften Jahrestag betont die Shingal-Verein folgende zentrale Forderungen:
1.Sofortiger Wiederaufbau der ezidischen Gebiete in Shingal, inklusive Infrastruktur und Basisdienstleistungen.
2. Ein internationales Schutzprogramm für die ezid*innen, um zukünftige Gefahren zu verhindern durch eine unabhängige Verwaltung mit Schutz durch ezidische Selbstverteidigungskräfte und Unterstützung der internationalen Koalition.
3. Schnellstmögliche Öffnung der Massengräber, Identifizierung der Opfer und würdevolle Übergabe an die Angehörigen.
4. Einrichtung einer internationalen Kommission zur Suche nach vermissten Frauen und Kindern insbesondere in Syrien und anderen Konfliktgebieten.
5. Beendigung der Doppelmoral, die Islamische Staat angehörige Integrationsprogramme bietet, während den Opfern von ISIS ein sicheres Zuhause und eine Perspektive verwehrt bleiben.
Elf Jahre später zahlen die ezid*innen den Preis der Gräueltaten ein zweites Mal:
Einmal durch die Verbrechen von Islamische Staat und ein zweites Mal durch das anhaltende Schweigen und die Vernachlässigung durch Staat und Gesellschaft.
Wahre Gerechtigkeit entsteht nicht durch Worte, sondern durch Wiederaufbau, Sicherheit und den Schutz der Menschen vor einem neuen Völkermord.
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